HCB: Jede sechste Blutprobe über Referenzwert

21 von 131 Blutproben von Menschen aus dem Görtschitztal weisen überdurchschnittlich hohe Mengen des Umweltgiftes HCB auf. Nach einer Verzögerung im Labor liegt nun, nach acht Wochen, die Auswertung der Blutproben vor.

Ein Jahr nach den ersten Messungen von HCB in landwirtschaftlichen Produkten aus dem Görtschitztal ist es nun amtlich, dass es auch im Blut der Bevölkerung teils weit überhöhte Mengen des Umweltgiftes gibt. Von den insgesamt 131 gezogenen Blutproben liegen 21 über dem Referenzwert. Laut Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) wurden alle Betroffenen in den letzten Tagen persönlich informiert.

Görtschitztal

ORF

Die Menschen im Görtschitztal brauchen wieder eine Perspektive

Risikobewertung erfolgt Freitag

Umweltmediziner Hans Peter Hutter von der Med-Uni Wien sagte: „Diese Personen haben eine höhere Belastung als 95 Prozent der österreichischen Bevölkerung.“ Was dieser erhöhte Wert für die Betroffenen konkret bedeute und ob ein etwaiges Gesundheitsrisiko vorliege, werde in einer Sitzung am Freitag festgelegt. An dieser Sitzung nehmen Umweltorganisationen, die Medizinische Universität Wien, das Land Kärnten und das Bundesumweltamt teil. Anders als bei einem Cholesterinwert könne man nicht einfach in eine Tabelle schauen und seine Schlüsse ziehen, so Hutter.

„Ein vergleichbarer Fall findet sich weltweit nicht so schnell, das ist nicht schon Hunderte Male durchgespielt worden“, sagte Hutter. HCB sei eben schon früh verboten worden, deshalb gebe es keine Studien und Vergleichswerte wie etwa bei Bleiwerten. Die Berechnung eines konkreten Risikos sei im Fall des Görtschitztales entsprechend kompliziert, sagte Hutter. Die Messwerte müssen in die tägliche Aufnahmedosis des Giftes umgerechnet werden. Es sei auch noch festzustellen, ob Männer und Frauen gleich belastet seien - die Stoffwechsel seien sehr verschieden. Danach könne man eine Risikoabschätzung abgeben, so Hutter, was die mittel- und langfristige Problematik betreffe.

TDI - Tolerierte Tagesdosis

Der Wert des TDI (Tolerable Daily Intake) bedeutet, wie viel man von einem Stoff täglich ohne medizinische Bedenken zu sich nehmen kann, und wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Dosis pro Kilogramm Körpergewicht angegeben.

Milch und Fleisch der Region meiden

Den Betroffenen wurde vorerst angeraten, keine HCB-belasteten Produkte mehr zu essen, denn es gebe laut Hutter keine Medikamente, die den Abbau im Körper beschleunigen. Besonders in Milch und Fleisch der Region wurden auffällige HCB-Konzentrationen gemessen. Obst und Gemüse - und damit die Hausgärten der Region - seien nicht betroffen. Es werde laut Hutter ein Konzept für die Betroffenen ausgearbeitet, auch was eine etwaige Beschleunigung des HCB-Abbaus im Körper betreffe. Man kenne den Stoffwechsel des HCB recht gut, daher könne man berechnen, wie der Abbau vor sich gehe.

HCB Hutter

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V. l.: Albert Kreiner, Beate Prettner, Hans Peter Hutter, Barbara Kohlweg

„Biobauern entdeckten Skandal“

Unter den Personen mit den erhöhten Werten befinden sich auch Kinder und Biobauern. Für letztere war es ein Schock zu erfahren, dass der Genuss der vermeintlich gesunden Produkte zur HCB-Belastung im Blut führte - mehr dazu in Bauernfamilie hat HCB im Blut. Wie sehr sie unter der Situation leiden, wurde bei den Einzelgesprächen deutlich, die in den letzten Tagen mit ihren geführt wurden, sagte Hutter. Sie können nichts für die Situation, im Gegenteil, durch die genauen Kontrollen der Biohöfe sei der Umweltskandal erst aufgedeckt worden: „Sonst hätte es noch lange so weitergehen können“, so Hutter. Dann hätte man jetzt nicht 131, sondern mehr Proben.

Prettner: Perspektiven erarbeiten

Gesundheitslandesrätin Prettner bestätigte, dass die Biobauern den Skandal aufgedeckt hätten. Das sei sehr positiv, sonst wäre man länger nicht draufgekommen und wüsste nicht, wo die Ursache liege. Man wolle den Menschen Perspektiven geben, man habe sich in einer Klausur mit den Bürgermeistern des Görtschitztals getroffen. Die nächsten Schritte seien im landwirtschaftlichen Bereich zu setzen. Die Bauern füttern derzeit die Tiere und schütten die Milch weg, das sei belastend. Es gebe einen konkreten Plan, sagte Prettner. Die Frage sei auch, wie es weitergehen werde. Im Görtschitztal gebe es ein laufendes Monitoring, es werden immer neue Proben gezogen. Aus der ersten Futtermahd könne man dann Schlüsse ziehen und erwarte, dass die Werte wesentlich niedriger seien.

Verwirrung um verschiedene Begriffe

Um die Betroffenen nicht zu weiter zu verunsichern, wollen Land, Bund, Umweltorganisationen und die Universität eine gemeinsame Sprachregelung finden. „Selbst ich habe oft ein Problem, Richtwerte, Grenzwerte und Referenzwerte auseinanderzuhalten, deshalb ist die gemeinsame Sprache so wichtig“, erklärte der HCB-Krisenkoordinator des Landes, Albert Kreiner. Die Biobauern stellen sich außerdem jetzt die Frage, ob sie Gülle oder Jauche aufbringen dürfen. Es liege eine Stellungnahme von Bundesstellen vor, es darf aufgebracht werden. Auch hier sei damit Sicherheit gegeben, so Kreiner. Die Landwirtschaftskammer werde die Bauern noch informieren. Er kündigte auch ein Hilfsprogramm für die Bauern an.

„Menschen verzweifelt“

Umweltmedizinerin Barbara Kohlweg sagte, aus medizinischer Sicht sei ihr die Verzweiflung der Betroffenen aufgefallen. Die Besprechung der Blutproben sei ein Teil gewesen, aber ein Großteil betreffe die Betreuung der Gesamtsituation der Biobauern. Die Aussicht auf neue Perspektiven sei für den Gesundheitszustand der Menschen wichtig, so Kohlweg.

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