Missbrauch: Im Zweifel für den Angeklagten

Im Zweifel für den Angeklagten hat es diese Woche nach einem Schöffenverfahren um einen Mann geheißen, der ein kleines Mädchen missbraucht haben soll. Obwohl der Richter dem sechs Jahre alten Mädchen und seinen Angehörigen glaubte, hat es für eine Verurteilung nicht gereicht. Was bedeutet dieses noch nicht rechtskräftige Urteil für Opfer und Familie?

Wie ist es für ein Opfer, wenn der mutmaßliche Täter ungeschoren davon kommt? Diese Frage stellt sich vor allem, wenn ein Kind zuerst gegen einen Erwachsenen aussagt, dieser aber freigesprochen wird. Laut psychologischer Einschätzung fühlt sich ein Kind dann vor allem von den Erwachsenen nicht ernst genommen.

Verheerende Folgen für Kinder

Bei der Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe Kärntens arbeiten auch Prozessbegleiter. Sie sagen, es komme immer wieder vor, dass die Aussagen eines Kindes vor Gericht nicht ausreichen, um einen Angeklagten zu verurteilen. Dies passiere, weil die Sprache der Kinder noch nicht so ausgereift sei. Sie könnten sich nicht gut genug ausdrücken, analysiert Elisabeth Mandl, Leiterin der psychosozialen Prozessbegleitung der AVS Kärnten: „Grundsätzlich ist es oft so, dass es keine Beweise gibt. Man muss also schauen, was Opfer und Beschuldigter aussagen. Der Richter muss entscheiden, wem er Glauben schenkt.“

Es ist wichtig, dass die Eltern während und nach einer Verhandlung hinter ihren Kindern stehen und sie stützen. Trotzdem bleibe so ein Verfahren ein traumatisches Ereignis für die Kinder. Leider geschieht sexueller Missbrauch an Minderjährigen zu 75-80 Prozent im Kreise der Familie. Das heißt, auch die Belastungen für das Kind vergrößern sich bei einem Freispruch, bestätigt Mandl: „Bei einem Freispruch bleibt das große Gefühl, man hat mir nicht geglaubt. Die Menschen glauben, ich habe gelogen. Das hat für ein Kind ganz verheerende Folgen. Zu dem Missbrauch und dem nicht geglaubt werden zerfallen oft leider auch Familien.“

Letztes Wort ist noch nicht gesprochen

Das letzte Wort in dem Prozess gegen den Stiefonkel, der das sechsjährige Mädchen laut Staatsanwaltschaft missbraucht haben soll, ist noch nicht gesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt. Jetzt muss der Oberste Gerichtshof entscheiden. Und der Sprecher des Landesgerichts Klagenfurt, Wilhelm Waldner sagt, wenn der Richter nur die geringsten Zweifel hat, muss er laut Gesetz den Angeklagten freisprechen.

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