Sorben: Wenn ein Volk seinen Boden verliert

Die Sorbischen Kulturtage sind eröffnet und setzen sich bis 12. August mit Kunst und Kultur der Sorben auseinander. Das westslawische Volk lebt im deutschen Grenzgebiet zu Polen und Tschechien und verliert durch den Braunkohleabbau wortwörtlich den Boden unter den Füßen.

„Gott schuf die Lausitz und der Teufel grub die Kohle ein“ - so umschreiben die Sorben selbst die Entwicklung rund um den Braunkohleabbau in ihrem angestammten Siedlungsgebiet. Seit dem Beginn der Bergbauindustrie in der Lausitz mussten 136 sorbische Dörfer und etwa 25.000 Menschen dem Braunkohle-Abbau weichen - das Bergrecht wiegt mehr als der Schutz von Minderheiten.

Sorbische Kulturtage

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Dort, wo vorher Dörfer und Wälder waren, hinterlassen die Schaufelradbagger der Bergbauindustrie eine auf Jahrzehnte lebensfeindliche Wüste. Dem weichen Boden wird das Grundwasser mit Pumpen entzogen, die Braunkohle wird im Tagebau abgebaut und das saure Wasser verwendet, um die entstandenen Gruben aufzufüllen.

Sorbische Kulturtage

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„Lakeside Rendezvous“ der sorbischen Künstlerin Merka Pawlikowa/Mirka Pawlik, ausgestellt im Klagenfurter Künstlerhaus.

Europäischer Gerichtshof: Recht auf Energiegewinnung

Karl Vouk ist Initiator der sorbischen Kulturtage. Er hat die Zerstörung der Natur- und Kulturlandschaft zugunsten der Energiegewinnung für die Foto-Ausstellung „Satkula - oder die Wa(h)re Landschaft“ dokumentiert: „Die Lausitzer Sorben haben Prozesse bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof geführt, um die Abbaggerung ihrer Dörfer zu verhindern - es gelang nicht. Der Spruch lautete, jeder Staat hat das Recht und auch die Pflicht, seine Energieversorgung sicherzustellen, auch wenn das auf Kosten einer Kultur geht. Ich denke, jeder von uns ist aufgefordert darüber nachzudenken, ob die Energiegewinnung mehr wiegt als der Verlust einer ganzen Kultur, einer Sprachkultur.“

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Kommentar des Künstlers Karl Vouk zum Braunkohlabbau in der Lausitz.

Dörfer der „Wenden“ Opfer der Energie-Wende

Ab 100.000 Sprechern stuft die UNESCO eine Sprache als gefährdet ein. Obwohl viel Geld - auch für Kultur- und Sprachförderung - in die Hand genommen wird, hat sich die Zahl der Sorben auf 60.000 dezimiert. Die Dörfer der „Wenden“, wie die Sorben im Deutschen genannt werden, fallen der deutschen Energie-Wende zum Opfer.

Sorbische Kulturtage

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Jürgen Maćij/Jürgen Matschie: Tagebau Welzow (Ausschnitt)

Christina Bogusz, Direktorin des sorbischen Museums: „Ja, das ist ein schönes Wortspiel, das stimmt. Im Prinzip werden dort wirklich die Dörfer zerstört und mit den zerstörten Dörfern stirbt auch die Kultur. Diese ist in einer neuen Siedlung, für die es Geld gibt um neue Häuser zu bauen, nicht rekonstruierbar. Das ‚wächst‘ dort nicht mehr. Das Herzstück der Lausitz, die mittlere Lausitz, ist durch die Braunkohle arg beschädigt worden und mit den Dörfern die zerstört wurden, ist auch dieses Ethnikum verschwunden.“

Wanderausstellung und Kunst im Künstlerhaus

Im Rahmen der sorbischen Kulturtage präsentiert der Kunstverein Kärnten gemeinsam mit dem Architekturhaus Kärnten, dem Musilhaus und der Kulturinitiative Bleiburg unter dem dreisprachigen Motto „PŘECHOD - ÜBERGANG -PREHOD“ bis 12. August noch eine ganze Reihe von Veranstaltungen mit Musik, Film, Theater, Literatur und auch Podiumsdiskussionen zum Thema.

Sorbische Kulturtage

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Die Wanderausstellung „Die Sorben in Deutschland“ im Architekturhaus Kärnten erzählt vom Leben der Sorben und dokumentiert anhand einer Fotoausstellung ihre traditionelle Lebensweise und Tracht unter dem Titel: „Bevor du gehst“.

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Foto: Maćij Bulank/ Matthias Bulang, im Architekturhaus Kärnten

Im Klagenfurter Künstlerhaus zeigen bildende Künstler ihre Werke - Prädikat: absolut sehenswert - und ab Dienstag, dem 10. Juni, wird im Klagenfurter Musilhaus die Ausstellung "Satkula oder die „Wa(h)re Landschaft“ von Karl Vouk eröffnet.

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Ausschnitt aus Dem Kunstwerk der sorbischen Künstlerin Iris Brankačkowa/Iris Brankatschk: Marie P., derzeit im Klagenfurter Künstlerhaus zu sehen.

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