Ex-Hypo-Chefs wieder vor Gericht

Am Landesgericht Klagenfurt hat am Montag ein weiterer großer Hypo-Prozess zu einem Vorzugsaktiengeschäft von 2006 begonnen. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Schaden von bis zu acht Millionen Euro aus. Keiner der Angeklagten bekannte sich schuldig.

Angeklagt sind die Ex-Vorstände Wolfgang Kulterer, Tilo Berlin, Siegfried Grigg und Josef Kircher. Mitangeklagt ist auch die Flick-Stiftung. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Bei dem Prozess geht es um den zweiten Vorzugsaktiendeal aus dem Jahr 2006. Das Geschäft wurde laut Anklage zum Schaden der Hypo durchgeführt, prominente Investoren hätten dank geheimer Nebenabsprachen risikolos daran verdient.

Im Fall des ersten Vorzugsaktiendeals aus dem Jahr 2004 gibt es bereits rechtskräftige Urteile. Alle Angeklagten plädierten am Montag auf nicht schuldig, die Verteidiger forderten Freisprüche. Im Fall einer Verurteilung drohen den Angeklagten bis zu zehn Jahre Haft. Kulterer wurde in anderen Prozessen bereits zu insgesamt fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Vorerst sind 15 Verhandlungstage bis Ende Jänner angesetzt.

Hypo brauchte mehr Eigenkapital

Im Zuge des Deals bezahlte die Hypo International der Hypo Leasing 100 Mio. Euro für Vorzugsaktien. Diese sollten auf dem Markt angeboten werden, um die schwache Eigenkapitaldecke der Bank zu verbessern. „Doch niemand wollte die Aktien ohne Absicherung“, so der Ankläger. Daher sei die Aktienausgabe mit einer Put-Option versehen worden. Dadurch hätten die Aktionäre ihr Geld jederzeit zum Nominalwert - unabhängig von der wirtschaftlichen Lage der Bank - zurückfordern können. „Kernkapital hat aber die Eigenschaft, dass dieses jederzeit und uneingeschränkt der Bank zur Verfügung steht“, sagte Staatsanwalt Robert Riffel. Das sei hier nicht der Fall gewesen.

Hypo Vorzugsaktien Prozess Staatsanwalt Robert Riffl

APA/Gert Eggenberger

Staatsanwalt Robert Riffel

Riffel geht von einem Gesamtschaden von rund acht Millionen aus und wirft den Angeklagten auch Bilanzfälschung vor. Die Verantwortung dafür ist laut Riffel unterschiedlich aufgeteilt: Bei Kircher seien es 5,1 Mio. Euro, bei Kulterer drei Mio. Euro, bei Grigg 895.000 und bei Berlin 73.000 Euro. Weiters sei der Hypo ein zusätzlicher Schaden durch die unternehmensschädigende Auszahlung einer Sonderdividende in der Höhe von 2,5 Mio. Euro entstanden.

Darüber hinaus hätte aufgrund der Put-Optionen eine niedrigere Dividende ausgeschüttet werden müssen. Der Tatbestand der Bilanzfälschung sei gegeben, weil die drei Vorstände in Zusammenhang mit den Konzernabschlüssen 2006 und 2007 gegenüber dem Aufsichtsrat und dem Wirtschaftsprüfer vorsätzlich Falschdarstellungen gemacht hätten.

Kulterer: völlig korrekt

Kulterer sagte vor Verhandlungsbeginn, er sei nach wie vor der Überzeugung, dass die Begebung von mit Put-Optionen versehenen Vorzugsaktien 2006 „völlig korrekt“ als Eigenkapital der Bank verbucht worden sei.

Hypo Prozess Vorzugsaktien Kulterer und Kircher

APA/Gert Eggenberger

Wolfgang Kulterer und Josef Kircher

Wäre das nicht korrekt, „dann hätte Raiffeisen wesentlich weniger Eigenkapital, weil es dort ebenfalls Put-Optionen gibt“. Hier werde mit zweierlei Maß gemessen, klagte Kulterer. Die Bankenwelt sei eine gefährliche Welt geworden. Aus der Sicht 2005 und 2006 habe man nicht beurteilen können, was herauskommen würde, so Kulterer. Es sei schockiert, dass sechs Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Bank immer noch so getan werde, dass die Bayern-Zeit und Zeit der Verstaatlichung seine Zeit gewesen sei. Das sei aber nicht der Fall.

Berlin verweigerte Auskunft über Vermögen

Der Vorsitzende des Schöffensenats, Richter Christian Liebhauser-Karl, verurteilte Kulterer bereits zweimal: einmal wegen Bilanzfälschung und einmal wegen der Millionenkredite an die Pleitefluglinie Styrian Spirit.

Hypo Vorzugsaktien Prozess Liebhauser Karl Richter

APA/Gert Eggenberger

Richter Christian Liebhauser-Karl

Bei der obligaten Aufnahme der Personalien der Angeklagten sorgte Berlin für eine erste Überraschung. Er weigerte sich, seine Vermögenswerte anzugeben. Liebhauser-Karl belehrte Berlin daraufhin, dass er in diesem Fall einen Sachverständigen bestellen müsse, der die Eigentumsverhältnisse feststellen werde. Wichtig ist das für die etwaige Festsetzung einer Geldstrafe. Berlin blieb dabei, „aus Diskretionsgründen“ keine Angaben zu machen. Er bestätigte dem Richter gegenüber lediglich, dass er keine Schulden habe.

Staatsanwalt: „Tilo Berlin ein Sonderfall“

Zum Angeklagten Berlin sagte der Staatsanwalt, dieser sei ein „Sonderfall“, er sei in die Ausgabe der Aktien nicht involviert gewesen, habe jedoch ein von einem Investor zurückgegebenes Aktienpaket inklusive der erwähnten Put-Option an die Flick-Stiftung verkauft.

Die Flick-Stiftung habe auf Anraten ihres Vorstandes Kulterer das Aktienpaket gekauft und dadurch um rund eine Million Euro mehr an Rendite lukriert, als es bei einem vergleichbaren Geschäft auf dem Markt möglich gewesen wäre. Damit habe Kulterer als Stiftungsvorstand zur Untreue beigetragen, weil er Organen der Bank geholfen habe, die Aktien zu verkaufen, sagte Riffel. Berlins Verteidiger Patrick Thun-Hohenstein sagte, sein Mandant sei in den Aktiendeal nicht involviert gewesen.

Hypo Prozess Vorzugsaktien Tilo Berlin und Siegfried Grigg

APA/Gert Eggenberger

Tilo Berlin (r.) und Siegfried Grigg

Kircher-Anwalt: Es gibt keinen Schaden

Kircher-Anwalt Richard Soyer meinte, es gebe keinen Schaden und schon gar keinen Schädigungsvorsatz. Mit Fragen des Eigenkapitals habe Kircher als Leasing-Vorstand überhaupt keine Berührungspunkte gehabt. Bei seinen Unterschriften habe er auf das Know-how seiner Vorstandskollegen vertraut.

Hypo Prozess Vorzugsaktien Josef Kircher

APA/Gert Eggenberger

Josef Kircher

Kulterer-Anwalt will ersten Prozess neu aufrollen

Der Anwalt Kulterers, Dieter Böhmdorfer, kündigte am Montag auch einen Wiederaufnahmeantrag des Verfahrens um den ersten Vorzugsaktien-Deal aus 2004 an. Kulterer war rechtskräftig zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden. „Die Geschichtsbücher über Kulterer werden umgeschrieben werden müssen“, kündigte Böhmdorfer an.

Zum aktuellen Fall meinte Böhmdorfer, das Gutachten, auf das sich die Anklage stütze, sei eine Katastrophe. So seien die einzelnen Begriffe wie Eigenkapital, Eigenmittel und Kernkapital durcheinandergebracht worden. So schade eine Kündigungsmöglichkeit, wie sie die Put-Option ist, nicht der Eigenschaft als Eigenkapital.

Hypo Vorzugsaktien Prozessauftakt

APA/Gert Eggenberger

Die ehemaligen Hypo-Manager Josef Kircher, Wolfgang Kulterer, Siegfried Grigg und Tilo Berlin (v. l. n. r.)

Grigg-Anwalt bezweifelt Schadensberechnung

Christoph Herbst, Verteidiger von Grigg, schloss sich der Einschätzung seines Vorredners bezüglich der Put-Option an. Die einzige Behörde, die feststellen könne, dass die Mittel aufgrund der Put-Option keine Eigenmittel seien, sei die Finanzmarktaufsicht, sagte Herbst. „Und hier gibt es bis heute keinen Bescheid“, erklärte er. Herbst definierte die Komplexität der Materie mit dem Satz: „Um die Konsequenzen einer solchen Put-Option zu verstehen, muss man ein besonderer Pfiffikus sein.“

Der Verteidiger bezweifelte auch die Schadensberechnung. Für eine anderweitige Aufstockung der Eigenmittel hätte man langfristige Anleihen aufnehmen und dafür Kosten und Risiken in Kauf nehmen müssen, sagte er. Weiters müsse man bei dieser Rechnung auch berücksichtigen, dass die Bank durch das frische Kapital ihre Geschäftstätigkeit erweitert und dadurch Gewinne gemacht habe.

Flick-Anwalt: „Stiftung wurde geschädigt“

Martin Nemec, Vertreter der Flick-Privatstiftung, meinte, die Bank habe Investoren gesucht, nicht die Stiftung habe sich darum bemüht. Und die Put-Option wäre im Falle einer Insolvenz völlig wertlos gewesen. Nicht einmal einen Quotenanspruch hätte es gegeben, sagte der Verteidiger. In Wirklichkeit sei die Flick-Stiftung getäuscht und damit geschädigt worden, so Nemec.

Für den Fall, dass Schaden entstanden sein sollte, schloss sich die Flick-Stiftung mittlerweile dem Verfahren als Privatbeteiligte gegen Kulterer an. Die Flick-Privatstiftung bestreitet also unrechtmäßig erlangte Vorteile. Falls das Gericht das anders sehen sollte, will die Stiftung den Ertrag von 3,2 Millionen an die Hypo zurückzahlen. Ingrid Flick selbst ist vorerst nicht als Zeugin geladen. Über die Vermögenswerte der Stiftung verweigerte Nemec am Montag Angaben.

Hypo-Anwalt: 26 Millionen Euro Schaden

Hypo-Anwalt Thomas Kralik bezifferte den Schaden am Nachmittag deutlich höher als der Staatsanwalt - er sprach von einem Gesamtschaden von rund 26 Millionen Euro. Die Anklage gehe zu Unrecht davon aus, dass die Refinanzierungsmittel vom Schaden abzuziehen seien, erklärte Kralik.

Die Verteidiger sprachen sich, wie schon zu Beginn der Hauptverhandlung angekündigt, gegen die vom Gericht bestellten Gutachter aus und forderten die Einsetzung neuer Experten. Die Hauptverhandlung wird am Mittwoch mit der Einvernahme der Angeklagten fortgesetzt. Als erster Angeklagter wird Kircher einvernommen, falls es die Zeit zulässt, soll auch Kulterer noch befragt werden.

Links: