Franz Wurst: Mord und Missbrauch

Der Fall des ehemaligen renommierten Kinderpsychiaters Franz Wurst (gestorben 2008) hat alle Zutaten für ein Filmdrehbuch. Es war der tiefe Fall eines gesellschaftlich unantastbaren Arztes in bodenlose gesellschaftliche Verachtung.

Der Fall Wurst wurde sogar Stoff für eine Oper, die für eine Aufführung bei den Salzburger Festspielen im Jahr 2009 gedacht war, mit einem Libretto der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Aber seither ist es still geworden um diese Pläne.

„Trauernder“ Witwer

Alles begann mit dem tödlichen „Sturz“ der Kindergartenpädagogin Hilde Wurst über die Treppe der Villa im Haus des Ehepaares in Pörtschach am Wörther See am 8. Dezember 2000. Der pensionierte Primarius, er war damals 78 Jahre alt, erfüllte die Erwartungen an einen trauernden Hinterbliebenen. Nur ein blutverschmiertes Tuch, das die Polizei im Haus fand, warf Fragen auf.

Patensohn ermorderte Hilde Wurst

Die Antwort erhielten die Beamten von einem jungen Burschen, der in der Villa ein und aus gegangen war: Thomas H., ein Patenkind des Professors. Nachdem er sich in Widersprüche verwickelt hatte, gab er zu, Hilde Wurst erstickt zu haben. Sie sei im Weg gestanden, so seine Begründung.

Die Ermittlungen ergaben, dass Hilde Wurst nicht nur dem Burschen, sondern vor allem ihrem Ehemann Franz Wurst im Weg gestanden war. Vor allem weil sie verhindern wollte, dass ihr Ehemann den jungen Mann mit teuren Geschenken aushielt.

Erstmals die Rede von Missbrauch

Worin die Gegenleistung bestand, wurde beim Verhör offenkundig. Der Bursche gab an, von Wurst seit Jahren sexuell missbraucht worden zu sein. Und er beteuerte, dass er von Wurst zum Mord angestiftet worden sei. Oberst Hermann Klammer von der Polizei stellte nach diesem Verhör fest: „Für uns ist die Tat an und für sich geklärt. Es liegt ein Geständnis des Tatverdächtigen vor“.

Festnahme elf Tage nach dem Mord

Der pensionierte Primarius wurde elf Tage nach dem Vorfall festgenommen und in Untersuchungshaft überstellt. Mit Fassungslosigkeit registrierte die Öffentlichkeit die Vorgänge, die auch die Vergangenheit aufwühlten.

Bei der Staatsanwaltschaft meldeten sich zögernd Personen, die Wurst in ihrer Kindheit begegneten und bei denen Wurst Eindrücke hinterließ, die noch Jahre nachwirken. 38 Personen kamen zusammen.

Opfer meldeten sich

Sie alle gaben an, von Wurst in verschiedenen Erziehungs- und Erholungsheimen als Kinder missbraucht worden zu sein: „Er hat mich dann im Genitalbereich und am After berührt. Das passierte während der gesamten drei Wochen meines ‚Erholungsurlaubes‘“, erzählte ein männliches Opfer.

Da keine Flucht-, Wiederholungs- und Verdunkelungsgefahr mehr vorlag, wurde die Untersuchungshaft bis zum Prozess wieder aufgehoben.

17 Jahre Haft

Der pensionierte Primarius nutzte die Zeit zur Imagepflege: „Erst jetzt kommen da all die Erinnerungen. Alles was an Vorwürfen gegen mich gesagt wurde, ist nicht wahr“, sagte Wurst damals.

Bei der Gerichtsverhandlung wurde der Fall in 73 Verhandlungstagen aufgerollt. Wurst wurde wegen Anstiftung zum Mord zu 17 Jahren Haft verurteilt. Der mittlerweile 21 Jahre alte Täter wurde wegen Mordes zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Das Land Kärnten zahlte den 38 Missbrauchsopfern eine Entschädigung von 261.000 Euro. Das sind durchschnittlich 6.868 Euro für jedes einzelne Opfer.

Wurst wurde im März 2007 wegen seines schlechten Gesundheitszustandes aus der Haft in Stein entlassen und in einem Pflegeheim untergebracht. Er starb mit 88 Jahren im Juli 2008.