Euthanasie-Opfer im Mittelpunkt
Die kranken und behinderten Opfer des Nationalsozialismus in Kärnten wurde jahrzehntelang vergessen und totgeschwiegen. Wie viele Menschen wirklich während des Nationalsozialismus in Kärnten Opfer der Euthanasie wurden, kann heute niemand mit Sicherheit sagen. Mindestens 740 Menschen wurden alleine von Klagenfurt aus in die Tötungsanstalt Hartheim geschickt.
ORF
ORF
Ausstellung gibt Tätern und Opfern ein Gesicht
Die Ausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet“ wird am Montagabend im Kärntner Landesarchiv in Klagenfurt eröffnet.
Opfer - egal ob Frauen oder Männer - bekommen darin ein Gesicht. Viele von ihnen wurden sterilisiert oder ermordet, wie der Deutsche Benjamin Traub in der Tötungsanstalt Hadamar. Auch die Gesichter der Täter werden in der Ausstellung bewusst gezeigt.
ORF
ORF
Das sei laut dem Kärntner Historiker Helge Stromberger, der sich seit Jahrzehnten mit diesem Thema beschäftigt, enorm wichtig: „Wenn man Massenmorde nicht realisiert hat, ist es völlig unmöglich, dass man die Geschichte versteht, genauso wenig wie die Gegenwart.“
1.500 von 400.000 Kärntnern Euthanasieopfer
In Kärnten waren Frauen und Männer gleichmermaßen Euthanasieopfer. Am häufigsten Betroffen waren Befürsorgte, Gemeindearme oder Männer in der Psychiatrie, die von der Musterungskommission als nicht für die Wehrmacht tauglich „ausgemustert“ wurden.
Wihelm Wadl, Direktor des Kärntner Landesarchives, sagt, in Kärnten könne von einer gesicherten Opferzahl von mindestens 1.500 Menschen ausgehen. „Das ist auf die damalige Gesamtbevölkerung von Kärnten bezogen, die unter 400.000 Menschen lag.“ Zahlenmäßig liege diese bei den NS-Euthanasieopfern im Spitzenfeld, so Wadl.
Sendungshinweis:
„Kärnten heute“, 8.5.2017
Die Geschichte der Klagenfurter Psychiatrie während des Nationalsozialismus ist heute sehr gut aufgearbeitet. Die Krankenakten wurden bereits vor einigen Jahren dem Kärntner Landesarchiv übergeben.
ORF
ORF
Die Frage, was mit den eigenen Großeltern genau passiert sei, stellen sich auch heute noch zahlreiche Kärntner Familien, sagt Herwig Oberlerchner, Primarius am Klinikum Klagenfurt: „Die Betroffenheit der Familien ist riesig groß. Es gibt Fälle, die seit Jahrezehnten stark tabuisiert werden. Sie wurden nie behandelt, aber jetzt kommen sie endlich an die Oberfläche.“
ORF
ORF
Eine erste Aufarbeitung begann in Kärnten sehr früh. Bereits im Jahr 1946 wurde Primarius Franz Niedermoser, einer der Haupttäter der Klagenfurter Psychiatrie, zum Tode verurteilt.
Die Ausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet“ ist noch bis 24. Mai im Kärntner Landesarchiv zu sehen.