Tolmezzo: „Alpenstadt des Jahres“

Was haben Villach, Bad Reichenhall, Chamonix und Idrija gemeinsam? Jede dieser Städte war bereits „Alpenstadt des Jahres“. Heuer feiert die Initiative des Kärntners Gerhard Leeb in Tolmezzo ihr 20-Jahr-Jubiläum. Geplant sind Initiativen für den „sanften Tourismus“.

35.000 Einwohner hat die Region Karnien mit ihren 28 Gemeinden. Tolmezzo ist mit 10.300 Einwohnern die größte. Mit nachhaltigen Projekten im Bereich Tourismus und Umweltschutz empfielt sie sich heuer als „Alpenstadt des Jahres“.

300 Kilometer Wanderwege warten auf Erkundung

Francesco Brollo, dem Bürgermeister von Tolmezzo zufolge, kann man von hier aus auf unterschiedliche Weise die Gegend erkunden - entweder mit dem Fahrrad, beim Trekking oder zu Fuß. Die Wanderwege, auf denen man die Carnia zu Fuß erkunden kann, sind mehr als 300 Kilometer lang.

Sendungshinweis:

„Servus Srecno Ciao“, 15. April 2017

Diese sauber zu halten sei das Ziel von „Adotta un sentiero“, erklärt Alessandro Benzoni vom Alpinclub „CAI“ Tolmezzo: „Es geht darum, die Leute unter anderem bei der Reinigung der Wanderwege einzubinden. Man sucht sich einen Abschnitt aus und wir zeigen dann, worauf es bei der Instandhaltung ankommt. Wir planen ein Buch mit Erzählungen und Wegbeschreibungen all jener, die mitgeholfen haben.“

SSC Tolmezzo Alpenstadt des Jahres

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Der Fluss Tagliamento

Qualitäten von Früher noch heute gefragt

Interessantes über die Geschichte und die kulturellen Wurzeln der Carnia können Besucher im Völkerkundemuseum von Tolmezzo erfahren. Zum Beispiel, dass früher hier Viele in der Textilerzeugung oder als „Cramars“ arbeiteten - also reisende Händler, die - ausgehend von der Karnia - in ganz Europa unterwegs waren.

„Ihre Frauen und Kinder blieben in den Bergen zurück, während sie fernab von daheim Geld verdienten. Um selbst zu überleben und auch für ihre Familien sorgen zu können, mussten sie geschickt sein und sich neuen Situationen anpassen können“, sagt Claudio Lorenzini vom Völkerkundemuseum Tolmezzo. Diese Fähigkeiten seien auch heute gefragt, wenn man von einer kleinen Bergregion wie der Carnia ausgehend erfolgreich sein will.

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Abbildung eines „Cramars“

Annalisa Bonfiglioli rief gemeinsam mit sechs anderen das Projekt „Cramars“ ins Leben und hielten unlängst eine Konferenz ab, bei der Möglichkeiten zur Zusammenarbeit im Alpenraum analysiert wurden: „Gemeinsam mit unseren Nachbarregionen möchten wir innovative Ideen verwirklichen, um das Leben in den Bergen auch in Zukunft attraktiv zu machen. Dafür braucht es nicht einmal viel Geld. Es geht sogar soweit, dass wir auch Städter für ein neues, anderes und vor allem gesünderes Leben begeistern möchten“, sagt Bonfigliol.

Den Auftakt des Veranstaltungsreigens macht in der Alpenstadt des Jahres ein Konzert am 28. April. Am 30. April findet in Tolmezzo das „Blumenfest“ statt und im Mai öffnen wieder die Almhütten für Besucher.

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Dorfidylle in Illegio

Alte Mühle noch immer in Betrieb

Ländliches Idyll erwartet Besucher auch im Bergdorf Illegio, das zur Gemeinde Tolmezzo gehört. Viele kommen für ausgedehnte Spaziergänge hierher, aber auch zum Ruhe tanken und wegen des unverfälschten Geschmacks der Produkte, die hier wachsen und verarbeitet werden.

So mahlt Firmino, der das Müllerhandwerk schon als Kind erlernte, noch heute einmal pro Woche in der „Mulin dal flec“ Mais zu Mehl. Sie ist eine der ältesten noch funktionstüchtigen Mühlen in der Gegend. Agrar-Experte Franco Sulli: „In der Carnia hat sich - neben der Polenta - eine Reihe von traditionellen bäuerlichen Produkten erhalten. Almkäse, Wurst, aber auch Gemüsesorten wie Bohnen, Rüben, Mais, Weißkraut oder Ackerbohnen. Wir wollen diese uralten Sorten erhalten und den Bauern auch in Randregionen das Überleben sichern.“

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„Mulin dal flec“

Aus Stall wurde „Genussboutique“

Bei einem Besuch in Illegio lohnt sich auch ein Abstecher in die „Buthege di Pierute“. Sechs Jahre lang arbeiteten Paola und ihr Mann Marco daran, einen ehemaligen Stall in ihre Lokal mit angeschlossenem Laden, wo allerlei Produkte aus der Region verkauft werden, zu verwandeln. Damit möchten sie Altes erhalten und - in einer neuen Form - für Besucher, die nach Illegio kommen, zugänglich machen.

Ab 21. Mai öffnet die Ausstellung „Amanti. Passioni umane e divine“, die auch heuer wieder vom Comitato di San Floriano auf die Beine gestellt wurde. Sie findet bis 8. Oktober in der „Casa delle Esposizioni“ statt.

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Glut des Alpenfeuers löste „Initialzündung“ aus

Vor Tolmezzo, der „Jubiläums-Alpenstadt“ waren auch andere Städte in Italien, Österreich, Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Slowenien „Alpenstädte des Jahres“. Die größte war Annecy, die kleinste Bad Aussee. Gerhard Leeb, Initiator „Alpenstadt des Jahres“: „Für mich war ein Jahr, eine Stadt und dann ist die nächste Stadt. Aber dass die alle zu einer großen Familie werden, ohne Sprachbarrieren oder sonst etwas, dass die alle gemeinsam EU-Projekte anstoßen und durchziehen, das habe ich überhaupt nicht erwartet.“

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Besprechung der Projektpartner in Tolmezzo

Andere Länder - ähnliche Probleme

Der Alpenraum birgt für ihn viele faszinierende Facetten. So kam ihm vor 20 Jahren, als er am Dobratsch die Glut des „Feuers in den Alpen“ hütete, die Idee, jeweils ein Jahr lang eine Stadt in den Alpen zur „Alpenstadt des Jahres“ zu machen. Ihm war es ein Anliegen, dass die Punkte der Alpenkonvention und deren Anwendung im Mittelpunkt stehen - ebenso, wie damit in Zukunft umgegangen werden soll. Es geht um Themen von Verkehr, Müll, Energie und Ökologie bis hin zu Bevölkerung und Kultur, denn auch wenn sie in unterschiedlichen Ländern gelegen sind so hätten die meisten Städte in den Alpen mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Leeb: „Die Stadtbevölkerung nimmt zu in den Alpenstädten. Es entsteht bei jeder Alpenstadt dieser ‚Speckgürtel‘, der dann aus Supermärkten und Großhandelszentren besteht. Die Innenstädte kämpfen ums Überleben. Das ist in den romanischen Ländern noch etwas besser, weil es dort viele Hausbesitzer gibt, denen auch das Geschäft im Erdgeschoß gehört. In Deutschland, der Schweiz und in Österreich ist es wirklich so, dass sich in den Innenstädten nur mehr multinationale Konzerne die Mietpreise leisten können. Sie haben jedes Jahr immer mehr Auflagen für die Stadt-Umland zu tragen.“

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Der Dobratsch trägt den Beinamen „Villacher Hausberg“

Erfolgsprojekte in der Draustadt Villach

Die Draustadt Villach war 1997 die erste „Alpenstadt des Jahres“. Viele Initiativen von damals wurden zu Fixpunkten, wie zum Beispiel der Alpen-Adria-Biomarkt und die sanfte Winternutzung im Naturpark Dobratsch. Robert Heuberger vom Naturpark Dobratsch sagt, es sei durch das Projekt gelungen, erstmals in Europa ein Skigebiet in eine neue Form der Nutzung, eben in einen Naturpark, umzuwandeln. Dabei sei auch schon die Klima-Anpassungsstrategie zur Anwendung gekommen: „Der Erfolg gibt uns Recht, dass wir Wandern, Skitouren gehen im Winter einsetzen statt künstliche Beschneiung und Skilifte.“

„Sanfter Tourismus“ als Zukunftswunsch

Für die Zukunft wünscht der „Gründervater“ den Alpenstädten mehr öffentliche Aufmkerksamkeit und sieht sie als Motor für den sanften Tourismus fernab der Massen. Leeb: „Man könnte das noch wesentlich mehr ausbauen, weil wenn ein Urlauber heute in einer Alpenstadt des Jahres Urlaub macht, dann kann er sicher sein, die schaut in die Zukunft und die hat wirklich alles in Ordnung.“

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