Protestjahr 1968: Was hat´s gebracht?

Prager Frühling, Frauenbewegung, Demos gegen den Krieg in Vietnam - das Jahr 1968 ist genau 50 Jahre her. Junge Leute initiierten viele Veränderungen und brachen das Establishment auf. Jörg Helbig von der Uni Klagenfurt analysiert dessen Auswirkungen.

Helbig ist Vorstand des Institutes der Anglistik und Amerikanistik an der Alpen- Adria-Universität. 1968 sei das Jahr des Aufbegehrens in vielen Ländern gewesen. In Deutschland, Frankreich, den USA und anderen Ländern sei gegen die Kriegsgeneration protestiert worden: „Gegen die politischen Verhältnisse, gegen die Konservativen.“

Auf der Suche nach einer „neuen Gesellschaft“

Das betraf den „Prager Frühling“ in der kommunistischen Tschechoslowakei ebenso wie die Anti-Vietnamkriegs-, Bürgerrechts- und Frauenbewegung in der Zeit des Kalten Krieges. Zum Teil gab es heftige Straßenschlachten und zahlreichen Demonstrationen dominierten die Proteste, die vor allem von Studierenden getragen waren. Sie stellten die Strukturen in Frage und suchten nach neuen Modellen für Gesellschaft und Politik, so Helbig: „Das hat sich zu einem Flächenbrand entwickelt, der aber auch kurzlebig. Die Studentenrevolte in Paris dauerte nur wenige Wochen.“

Von Hippies zu Gewalt binnen eines Jahres

Für Helbig war es eine spontane und neue Entwicklung: „Wenn man sich 1967und 1968 anschaut und vergleicht, könnte der Unterschied nicht größer sein. 67 war das Jahr der Hippiebewegung, Flower Power, Love und Peace und ein Jahr später schlug das in Gewalt, Drogen und ähnliches um. In einem harten Aufeinanderprallen der jungen Generation mit der Obrigkeit, das war ein Jahr vorher noch nicht so.“

Rudi Dutschke Studentenführer

APA/dpa/A0722 Wilhelm Bertram

Rudi Dutschke 1967

Die Proteste formierten sich und die junge Generation war nicht zu überhören: „Sie wurden aktiv, hatten neue Leitfiguren, die Studentenbewegung in Frankreich Daniel Cohn Bendit und in Deutschland Rudi Dutschke. Das Jahr 1968 war auch eines der politischen Gewalt, Martin Luther King wurde ermordet, Robert Kennedy wurde erschossen. Es gab Attentate auf Dutschke oder auch auf Andy Warhol. 1968 war ein gewalttätiges Jahr, vor allem im politischen Bereich.“ Rudi Dutschke wurde beim Attentat lebensgefährlich verletzt, an den Folgen der Hirnverletzungen starb er 1979.

Sendungshinweis:

SSC, 12.2.2018

Loslösung von staatlicher Autorität

Proteste, Ausschreitungen, Demonstrationen - das Jahr 1968 sollte die Gesellschaft nachhaltig verändern, so Helbig: „Man hat zumindest ein neues Bewusstsein geschaffen, eine neue Perspektive auf das politische Geschehen, es war die Loslösung von der Generation des Zweiten Weltkriegs, eine historische Aufarbeitung, die vor allem in Deutschland viel bewegt hat. Meines Wissens ist das in Österreich nicht in diesem Maße geschehen.“

Prager Frühling Proteste

APA/dpa/A0001_UPI/A0001 Upi

Prager Frühling 1968

In Wien habe es an der Uni Unruhen gegeben, aber nicht so umfassend wie in Frankreich oder Deutschland. Vieles entwickelte sich auch erst Jahre später. Im Spiegel der Geschichte betrachtet war das Jahr 1968 das Jahr einer neuen Jugend, einer neuen Generation: „Es war eine antiautoritäre Generation, die nicht mehr automatisch an staatliche Autoritäten glaubte, die aufbegehrte. Eine politisch sehr bewusste Generation und eine, die gegen Krieg eintrat, aber selbst gewalttätig war.“

Liberale Universitäten begannen damals

Die Protagonisten von damals wurden zwischen 1940 und 1950 geboren. Das seien heute die Pensionisten, viele seien milde geworden und hätten die politischen Ansichten verändert. Aber man könne sagen, sie haben etwas bewegt, so Helbig. Viel von dem, was damals an Universitäten begonnen und verändert wurde, ist heute Selbstverständnis: „Damals liefen die Professoren noch in Talaren herum, es gab den Slogan ‚Unter den Talaren weht der Muff von tausend Jahren‘. Die Situation an den Universitäten ist seit damals unvergleichlich liberaler geworden. Es ist nicht mehr ein Top-Down-Management sondern eine Gleichberechtigung. Professoren arbeiten mit Studierenden gleichberechtigt zusammen. Das hat damals angefangen.“