HCB-Skandal: Tumulte bei Bürgerversammlung

Am Donnerstagabend hat in Klein St. Paul eine Bürgerversammlung zum HCB-Umweltskandal stattgefunden. Die Bürger hatten viele Fragen, vor allem an die Wietersdorfer Zementwerke, bekamen aber kaum konkrete Antworten. Es kam sogar zu Tumulten.

Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Bürgerinformation kam niemand mehr in das Kulturhaus des Werks Wietersdorf in Klein St. Paul hinein, der Saal war mit etwa 220 Menschen voll.

Bürgerversammlung Görtschitztal

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Viel mehr Menschen wollten hinein, als Platz hatten

Mehr durften aus Brandschutzgründen nicht hinein, hieß es von Sicherheitskräften. Das wollten Hunderte Menschen, die vor dem Saal im Regen standen, nicht hinnehmen, obwohl es für sie eine Liveübertragung der Versammlung auf Leinwand gab. Sie forderten lautstark Einlass.

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Entschuldigung von Wietersdorfer-Chef

Draußen bleiben musste auch der neu bestellte Vorsitzende des HCB-Untersuchungsausschusses im Kärntner Landtag, Wilhelm Korak, auch für ihn war kein Platz mehr im Saal. Dass die Vergiftungen im Görtschitztal vermutlich von einem Fehler im Zementwerk ausgehen, bekräftigte im Saal einmal mehr der Wietersdorfer Geschäftsführer, Wolfgang Mayr-Knoch: „Das ist eine Katastrophe, ich möchte mich offiziell entschuldigen. Seit dem 10. Oktober stellen wir laut Informationen von belasteten Bauern fest, dass es nicht so funktionierte, wie es sollte.“

Der HCB-Skandal

Ende November wurden in zunächst vier Milchbetrieben im Görtschitztal erhöhte Wert von Hexachlorbenzol (HCB) gemessen, 35 weitere waren unter Beobachtung. Der Stoff gelangte durch die Donau Chemie Deponie, die bis in die 90er Jahre HCB als Getreidebeizmittel herstellte, in die Luft. Denn die Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke hatten die Erlaubnis, den belasteten Deponiekalk zu verbrennen. Offenbar geschah das mit zu geringer Temperatur, so dass Rückstände in die Luft und damit in Futtermittel und Milch gelangten.

Warum aus dem Werk jemals das giftige HCB austreten konnte, wollen viele im Saal wissen, das könne man erst nach Abschluss der Untersuchungen sagen, hieß es. Gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer will das Wietersdorfer Zementwerk jetzt von Hüttenberg bis Brückl flächendeckend Messungen durchführen, auf eigene Kosten. Bauern mit belastetem Futter bekommen dieses kostenlos ersetzt, sagte Mayr-Knoch. Zusätzlich gibt es einen Soforthilfefonds für Härtefälle: „Wenn es eng wird, haben wir einen Fonds mit 150.000 Euro eingerichtet.“

Auch die Kärntner Wirtschaftskammer (WK) schlägt für die betroffenen Unternehmen und zur Weiterentwicklung der Region die Einrichtung eines „Görtschitztalfonds“ vor. Dieser Fonds könnte aus Beiträgen der noch zu ermittelnden Verursacher, des Landes Kärnten, des Bundes, der Wirtschaftskammer und anderer Institutionen gespeist werden, heißt es in einer Aussendung der WK. Der Fonds solle die Wiederherstellung des Rufes der Region als qualitätsvoller, sicherer Lebens- und Wirtschaftsstandort zum Ziel haben.

„Langzeitfolgen nicht abschätzbar“

Geld allein reicht den Görtschitztalern aber nicht. Die meisten Fragen der Bürger hatten mit den Auswirkungen von HCB auf ihre Gesundheit zu tun. Eine akute Gefahr der Bevölkerung könne durch die offenbar geringe Belastung mit HCB im Görtschitztal ausgeschlossen werden, sagten sowohl Betriebsarzt Wilhelm Bachhiesl wie auch der Gutachter Friedrich Wurst von der TU Wien. Doch chronische Langzeitfolgen könne man noch nicht abschätzen, so Buchhhiesl, denn man kenne die Ergebnisse und Belastungen noch nicht genau. Man müsse auf die Ergebnisse aller Laboruntersuchungen warten, um eine Gesamtschau erstellen zu können.

Greenpeace: Nicht das einzige Gift

Im Wietersdorfer Zementwerk wurden bisher rund 90.000 Tonnen des mit HCB kontaminierten Blaukalks gebrannt. In der Deponie in Brückl lagert noch zwei- bis dreimal so viel davon. Der Chemiker Herwig Schuster, der am Donnerstag für Greenpeace Proben im Görtschitztal zog, vermutet, dass HCB nicht der einzige Giftstoff im verbrannten Blaukalk war: „Es sind manche Verunreinigungen drin, sie sind zehnmal stärker in der Deponie, als HCB. Das sind Stoffe, die in Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Es kann schon sein, dass das sich das Problem noch vergrößert.“ Er fordere Messungen auch auf Chlorkohlenwasserstoffe hin, sagte Schuster.

„HCB entsteht auch bei Hausbrand“

Gutachter Friedrich Wurst von der TU Wien vermutet, dass das Zementwerk nicht der einzige Verursacher der HCB-Belastung sei. Noch seien zu wenige Proben ausgewertet, die vorliegenden Messergebnisse würden aber kein klares Bild ergeben: „Wenn es so sein sollte, dass ausschließlich der Kamin vom Zementwerk der Emittent ist, kann man die Ausbreitung gut berechnen. Das wissen wir aber noch nicht.“ Jeder Hausbrand emittiere bei unvollständiger Verbrennung HCB, sagte Wurst, aber davon rede man nicht. HCB sei kein singuläres Problem vom Zementwerk sei, so Wurt.

Bürgerversammlung Görtschitztal

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Land plante eigene Informationsveranstaltung

Zum Unmut der Bevölkerung fehlten bei der Bürgerversammlung Vertreter der Landesregierung. Diese kündigte gemeinsam mit Experten für den 17. Dezember eine eigene Infoveranstaltung in Klein St. Paul an. Bis dahin sollen dann auch alle amtlichen Proben vorliegen. Der Koordinator des Landes in dieser Causa, Albert Kreiner, sagte am Freitag dazu, er verstehe, dass die Bevölkerung Informationen wolle, aber man habe derzeit leider auf viele Fragen noch keine Antwort. Warum kein Landesvertreter bei der Veranstaltung war, sei einfach, so Kreiner. Man ermittle gegen die Wietersdorfer Zementwerke, und daher können Amtsvertreter nicht mit diesem Unternehmen auf einer öffentlichen Bühne stehen (die Veranstaltung wurde von Wietersdorfer organisiert, Anm.).

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